Freiberger Zuchtselektionen
Unter der Verantwortung des Schweizerischen Freibergerverband SFV
Körung: Glovelier JU, 14. Januar 2023
Stationstest: 23. Januar bis 4. März 2023
Feldtest: Saignelégier JU, 29. April 2023
Fehraltorf ZH, 23. Juni 2023
Allgemeines
Als letzte einheimische Pferderasse geniesst das Freiberger Pferd besondere Förderung durch den Bund. Dennoch gingen die Geburtenzahlen in den vergangenen Jahren stetig zurück, obwohl die Freiberger auch jenseits der Grenze den Freundeskreis laufend ausweiten können. Eindrücklich ist an jedem Anlass die Identifizierung der Freibergerszene mit ihrer Rasse – die Verbundenheit wird auf Jacken, T-Shirts und Mützen fürs Auge sichtbar gemacht. Gut 2000 Fohlengeburten wurden laut Identitas 2016 gezählt, im laufenden Jahr kamen etwas über 1500 Freiberger Fohlen zur Welt. Aus tierschützerischer Sicht ist der Rückgang begrüssenswert – die über Jahrzehnte gepflegte Schlachtfohlenproduktion ist damit massiv reduziert worden. Heute sieht sich der Schweizer Freibergerverband mit anderen Problemen konfrontiert. Die an den Auktionen erzielten Spitzenpreise gingen an Fohlen, die nicht dem eigentlichen Zuchtziel eines «braunen, schwarzen oder fuchsfarbenen mit möglichst wenig weissen Abzeichen» entsprachen. Fohlen mit bunten Jacken oder Schimmel machten gute Preise. Ebenso führt die Widerristhöhe immer wieder zu Diskussionen, weil Reiterinnen und Reiter laufend etwas grösser werden und sich zum Einhalten eines vertretbaren Gewichtsverhältnisses Mensch/Pferd nach entsprechend grossen Pferden umschauen.
Beobachtungen Hengstkörung, Stationstest und Feldtest
Während für den Schweizer Tierschutz STS weder Farbe noch Grösse ein Thema ist, verlangen jedoch aus tierschützerischer Sicht die Zuchtselektion für Hengste und die Feldtests für 3-Jährige eine sofortige Anpassung. Die bereits in der zweiten Januarwoche stattfindende Hengstselektion ist zu früh angesetzt, sind die Körkandidaten zu diesem Zeitpunkt doch noch nicht einmal dreijährig. Fatal ist für die Jungtiere, dass die selektionierten Junghengste gleich im Anschluss an die Körung einem 40-tägigen Stationstest mit Abschlussprüfung im Nationalgestüt unterzogen werden. Wer dann die noch nicht einmal Dreijährigen mit teils heruntergeschnallter Kandare vor dem Wagen sieht, fragt sich unwillkürlich, wie lange wohl mit den Körkandidaten schon vor der Selektion gearbeitet wurde. Wie viel pferdefreundlicher sind im Vergleich dazu Hengstkörungen im Ausland. Im Frühjahr kommt es in Deutschland bei ähnlichen Rassen zu sogenannten Pflastermusterungen mit Exterieurbeurteilung sowie Freilaufen und Freispringen. Die eigentliche Hengstleistungsprüfung steht dann erst im Herbst auf dem Programm. Abgefragt werden dann Freispringen, Reiteignung und Springen unter dem Sattel sowie eine Eignungsprüfung vor dem Wagen mit Verlängerung der Tritte im Trab.
Zu früh im Jahr angesetzt sind oftmals auch die Feldtests. Für eine Teilnahme zählt allein das Geburtsjahr – dreijährig ist ein Pferd ab dem 1. Januar, ob es nun früh oder später im Jahr geboren worden ist. Nachteilig wirkt sich für die Jungpferde zudem aus, dass gute Feldtestresultate verkaufsfördernd sind: für «Feldtestsieger» ist tiefer in die Tasche zu greifen. Eigentliches Ziel des Feldtests wäre es jedoch, zu objektiv gewonnenen Daten der angeborenen Eigenschaften für die Zuchtwertschät-zungen zu kommen. Doch um am Schluss vorne platziert zu sein, werden Feldtestkandidaten vorab entsprechend gefördert, was eigentlich zu falschen Resultaten führt.
Dem Schweizer Tierschutz STS zugestellte Hinweise auf tierschutzwidrige Vorkommnisse an Feldtests sowie eigene Beobachtungen verlangen einen pferdefreundlicheren Ablauf dieses Zuchtinstrumentes. Speziell beim Fahrtest sind Anpassungen ans Alter der jungen Freiberger unumgänglich. Wie will ein noch nicht drei Jahre altes Pferd vor dem mit zwei Personen besetzten Wagen – in Fehraltorf ZH war gerade ein einziges Gespann nur mit dem Fahrer auf dem Bock im Sandviereck unterwegs – einen «starken» respektive «versammelten» Trab zeigen? Lektionen also, die nicht angeboren und erst über längere Ausbildung zu erreichen sind. Die Versammlung kommt in der «Skala der Ausbildung» hinter Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung und Geraderichtung an letzter Stelle. Wie bei den Junghengsten in Avenches VD war es auch am Feldtest Fehraltorf gang und gäbe, die Jungpferde mit Fahrkandare aufzuzäumen. Immerhin ein Fahrer schaute in Fehraltorf ZH für eine «weich» verschnallte Liverpoolkandare, indem er die Leine direkt beim Mundstück eingeschnallt hatte. Wie der Fahrrichter dazu kam, sich bei einem Fahrer für eine ungenügende Note zu entschuldigen, weil das Pferd beim Halt wie beim Schlussgruss mehrere Mal mit allen Vieren in die Luft gesprungen war, ist nicht nachvollziehbar. Solch krasse Widersetzlichkeiten sind ein Ausdruck von Überforderung. Immerhin wurde in Fehraltorf ZH das Pferd dafür nicht bestraft wie in Saignelégier JU. Dort bekam eine rückhaltige Jungstute noch und noch die lange Dressurgerte von ihrer Reiterin zu spüren. Und niemand griff ein.
Fazit
Sowohl die früh angesetzten Termine wie die teils verlangten Aufgaben oder die verwendete Ausrüstung sind aus Sicht des Schweizer Tierschutz STS nicht akzeptierbar. Gerade bei der Verwendung der Gebisse ist der in Ausbildungslehren gängige Begriff «kandarenreife» anzuwenden, was bei zum Teil noch nicht einmal dreijährigen Pferden niemals der Fall sein kann. Seriöse Zuchtmethoden wie der Feldtest sind zweifellos förderlich für eine weitsichtige Zuchtstrategie, um bei einer Rasse gute Gesundheit und ein angenehmes Verhalten zu erhalten. Doch Einsätze von nicht einmal 36 Monate alten Pferden sind zu früh und deshalb abzulehnen. Gerade auch deshalb, weil Lektionen verlangt werden, die ein Pferd erst nach jahrelanger Ausbildung erbringen kann. Pferdefreundlicher wäre zudem, die Alterslimiten in Monaten und nicht nach dem Jahrgang festzulegen. Will der Schweizerische Freibergerverband seine «Social Licence to operate» behalten, hat er ein altersgerechtes Zuchtprogramm auszuarbeiten.