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Piero Mazzoleni: «Vertrauen auf allen Ebenen wiederherstellen»

Interview im Sonntagsblick und auf blick.ch vom 4. Februar 2024

Der Schweizer Tierschutz STS hat Präsidentin Nicole Ruch durch den Tessiner Piero Mazzoleni ersetzt. Im ersten Interview erklärt er, wie er den Verband aus der Krise führen will.

Von Fabian Eberhard 

Herr Mazzoleni, Sie sind seit einer Woche Präsident des STS, der grössten Tierschutzorganisation des Landes. Können Sie den Verband aus der Krise führen?
Piero Mazzoleni: Das hoffe ich. Ich könnte Ihnen jetzt wortreich versichern, wie fähig ich bin und dass ich das ganz sicher schaffe. Aber schöngeredet wurde in den letzten Monaten genug. Ich will Taten folgen lassen.

Was braucht es jetzt am dringendsten?
Drei Dinge. Erster Punkt: Vertrauen. Wir müssen das Vertrauen auf allen Ebenen wiederherstellen. Das fängt schon innerhalb des neu gewählten Vorstands an. Die Mitglieder sollen nicht mehr gegeneinander arbeiten, sondern an einem Strang ziehen. Alle zusammen für den Tierschutz. Wir müssen aber auch das Vertrauen der rund 70 Sektionen zurückgewinnen. Und noch wichtiger: dasjenige der Spenderinnen und Spender.

Wie wollen Sie das schaffen?
Da wären wir beim zweiten Punkt: Es braucht mehr Transparenz. Viel mehr! Bisher war nie wirklich klar, was genau der Vorstand auf nationaler Ebene eigentlich so tut. Und wie es beispielsweise um die Finanzen steht. Das soll sich ändern. Ab sofort will ich die Entscheide des Zentralvorstands klar kommunizieren und interne Vorgänge und Zahlen offenlegen. Dazu gehört auch, dass der Vorstand vermehrt den Kontakt zu den lokalen Sektionen und den Mitgliedern sucht.

Und Punkt drei?
Glaubwürdigkeit. Der STS muss wieder als das angesehen werden, was er vor der Krise war: Eine schlagkräftige Organisation, die sich für das Wohl der Tiere einsetzt. Denn darum geht es schlussendlich. Es braucht jetzt Ruhe, die Streitereien müssen ein Ende haben.

Diese ganze Negativität hat dem Tierschutz enorm geschadet. Wie schlimm ist es? Gab es einen Spendeneinbruch?
Dazu kann ich noch keine klaren Aussagen machen. Das Image hat sicherlich stark gelitten. Ich kann den Leuten aber versichern: Das Geld, das sie spenden, wird einzig und allein für die Tiere eingesetzt.

Sie waren Vize von Nicole Ruch und gleichzeitig einer ihrer Kritiker.Sind Sie noch in Kontakt mit ihr?
Wir haben in den letzten Tagen telefoniert. Und werden hoffentlich weiterhin in Kontakt bleiben. Mir ging es weniger um Nicole Ruch persönlich. Mir war wichtig, dass der STS nach all der Aufregung einen Neuanfang wagt.

An der Delegiertenversammlung von letzter Woche wurde nicht nur Nicole Ruch abgesetzt, sondern auch SP-Nationalrätin Martina Munz und Agraringenieur Michel Roux.Die beiden hatten sich über die Medien eine regelrechte Schlammschlacht mit Ruch geliefert.
Das war ein demokratischer Entscheid, den ich akzeptiere. Wir sollten jetzt vorwärts schauen und nicht zurück. Es braucht nun Leute im Vorstand, die Kompromisse eingehen können.

Sie sagten an der Delegiertenversammlung, dass Sie nur Übergangspräsident sein wollen. Wie lange bleiben Sie an der Spitze des Verbands?
Ich weiss es noch nicht. Mein Ziel ist es, möglichst bald eine Findungskommission einzusetzen. Diese soll Vorschläge für einen neuen Präsidenten oder eine neue Präsidentin erarbeiten.

Das tönt noch sehr unkonkret. Bleiben Sie eher einen Monat oder ein halbes Jahr?
Geben Sie mir ein Jahr. Dann steht die nächste ordentliche Versammlung an, an der das Präsidium neu besetzt werden kann.

Ist es für Sie auch eine Option, Präsident zu bleiben?
Keine Angst: Ich bin 72, ewig übe ich das Amt ganz sicher nicht aus (lacht). 

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