Im Schritt dem heimatlichen Stall in Courtedoux entgegen – die Freibergerstute Jonquille spürt die Nähe und muss zu ruhigerem Tempo angehalten werden.

Planwagenfahrt Jura


Courtedoux–Beurnevésin 18. Oktober 2024
Beurnevésin–Courtedoux 19. Oktober 2024

Grund der Fahrt

Das Führen von Kutschen für private wie gewerbliche Zwecke war aufgrund ver-schiedener Hinweise für den Schweizer Tierschutz STS während des ganzen Jahres ein wichtiges Thema. Bei den im Tourismusbereich angebotenen Planwagenfahrten im Jura stand die Frage im Vordergrund, ob es vertretbar ist, einen Pferdewagen auch an Personen ohne jegliches Pferdewissen abzugeben? 

Ein grosser Aufwand war nicht nötig, um über die Webseite «JURA TROIS-LACS DREI-SEEN-LAND» den nötigen Kontakt zu Kutschenverleihern zu finden. «Mit dem Planwagen quer durch den Jura: Ein originelles Ferienerlebnis für Jung und Alt» – es musste nur entschieden werden, ob man für 2, 3, 4 oder 5 Tage buchen wollte. 

Allgemeines

Tourisme Equestre aus Courtedoux als Organisator von Planwagenfahrten ist es offenbar bewusst, dass sich wohl mehrheitlich Leute für eine Wagenfahrt inter-essieren, die wenig oder gar keine Pferdekenntnisse haben. Entsprechend umfang-reich sind die bei Vertragsabschluss zugestellten Dokumente. Diese enthalten nicht nur die finanzielle Vereinbarung und den Ablauf der 2-tägigen Fahrt. Weit ausführli-cher abgefasst sind die Allgemeinen Informationen und die im Umgang mit Pferden zu beachtenden Sicherheitsregeln. Sogar eine Zeichnung des Geschirrs fehlt nicht. Die Sicherheitsregeln müssen unterschrieben retourniert werden. 

Jonquille weiss in allen Situationen ihren Dienst bestens zu versehen. 
Jonquille weiss in allen Situationen ihren Dienst bestens zu versehen. 

In den Allgemeinen Informationen wie in den Sicherheitsregeln ist eigentlich alles aufgeführt, was es im Umgang mit Pferden zu beachten gilt. Selbst der alte Leitsatz «Zuerst das Pferd und dann der Mensch!» fehlt auf dem 5-seitigen Papier nicht. Vor-gegeben ist auch die Gangart – Schritt. Und wenn die Strasse, was nicht selten vorkommt, ansteigt, darf nur der Fahrer*in auf dem Wagen bleiben, die Mitreisenden haben auszusteigen. Das Auf- und Abschirren sowie das Ein- und Ausspannen werden ebenfalls sehr ausführlich beschrieben. Wer den Ablauf einhält, kann eigentlich nichts falsch machen. Zudem nimmt sich Daniel Protti die nötige Zeit, die eingetroffenen Feriengäste in einem längeren Prozedere die beschriebenen Abläufe praktisch am Pferd und am Wagen zu üben.   

Die erste Strecke von Courtedoux nach Bure fordert mit über 100 Meter Höhenunterschied viel Kraft vom Pferd.
Die erste Strecke von Courtedoux nach Bure fordert mit über 100 Meter Höhenunterschied viel Kraft vom Pferd.

Leinen aufnehmen

Liegt das Geschirr auf dem Pferd und ist alles richtig verschnallt, geht es zum bereit stehenden Wagen. Beim Geschirr handelt es sich um ein ehemaliges, sehr robustes und auf den neuen Verwendungszweck hin abgeändertes Armeebrustblattgeschirr (zum Beispiel Lederschlaufen am Widerrist und auf der Kruppe für die Fahrleinen). Leider ist der Zaum zu gross und lässt sich nicht pferdefreundlich verschnallen, so dass die Scheuleder zu eng und zu tief liegen. Wie schon beim Aufschirren läuft auch das Anspannen vor den Wagen nach festgelegten Vorgaben ab. Damit die Landen oder das Hintergeschirr nicht zu eng respektive zu lose befestigt werden, sind an den betreffenden Stellen Karabiner angebracht, die es nur einzuhaken gilt. Eine korrekte Verschnallung ist damit gegeben. Gefahren wird ohne Peitsche, auch wenn in der Peitschenhalterung eine Haselrute steckt.  

Willkommener Zwischenhalt neben einem Luzerne-Feld – jeder zugesteckte
Grasbüschel wird von Jonquille mit einem leisen Wiehern verdankt.
Willkommener Zwischenhalt neben einem Luzerne-Feld – jeder zugesteckte
Grasbüschel wird von Jonquille mit einem leisen Wiehern verdankt.

Die für die Testfahrt gewählte Route führt vom Stall aus gleich steil bergan ins Dorf Courtedoux und von dort weiter Richtung Bure. Der Höhenunterschied von mehr als 100 Metern ist ein kräftezehrender Auftakt in die 22 Kilometer lange Tagesroute nach Beurnevésin. Erschwerend kommt hinzu, dass es lange auf einer stark befahrenen Hauptstrasse entlang geht. Verkehrssicher ist die Stute, von Lastwagen hat sie ge-nauso wenig Angst wie vor Traktoren oder Baumaschinen. Der Fütterungshalt am Mittag hat Jonquille mehr als verdient, abgemessene Futterrationen und Wasser werden mitgegeben. Ein gutes Ende nimmt der erste Tag auf dem Hof der Familie Zbinden in Beurnevésin. Für Jonquille steht eine gut eingestreute grosse Boxe bereit, Heu liegt auch am Boden. Pferd, Geschirr und Wagen werden sorgfältig gereinigt, so dass es am anderen Morgen gleich losgehen kann. 

Ob im Stall in Beurnevésin oder unterwegs auf dem Picknick-Platz – beim Fressen zeigt Jonquille immer grossen Appetit.

Jonquille hat gut übernachtet. Sie lässt sich willig aufschirren und vor den Planwagen spannen. Aus dem Kübel scheint sie lieber zu trinken als aus der Selbsttränke – der halbvolle Kübel ist jedenfalls gleich geleert. Einen herrlichen Ort an einem Picknick-Platz am Waldrand zwischen Porrentruy und Alle ist für den Fütterungshalt ausge-wählt. Wie vertraut die Pferde aus dem Stall Protti in Courtedoux mit dem Verkehr sind, zeigt sich bei der Durchfahrt von Porrentruy. Kreisel sind kein Problem, der Freitzeitverkehr am frühen Nachmittag genauso wenig. Und auch der Dinosaurier im Kreisel vor Courtedoux bringt Jonquille nicht aus der Ruhe. Eine Antwort auf die Unfallstatistik des Kantons Jura von 2017 bis 2024 ist damit gegeben: Drei Unfälle mit Kutschen sind registriert, nicht einer davon mit einem Touristen-Wagen. 

Nach einem guten Aufenthalt in Beurnevésin ist Jonquille frisch und gut ausgeruht bereit für die Rückfahrt. Schade, dass sich der zu grosse Zaum nicht pferdefreundlicher anpassen lässt.
Nach einem guten Aufenthalt in Beurnevésin ist Jonquille frisch und gut ausgeruht bereit für die Rückfahrt. Schade, dass sich der zu grosse Zaum nicht pferdefreundlicher anpassen lässt.
Jonquille ist ein Verlasspferd: Weder vom Dinosaurier im Kreisel (links) noch von herantrabenden Pferden (rechts) lässt sie sich aus der Ruhe bringen. 
Jonquille ist ein Verlasspferd: Weder vom Dinosaurier im Kreisel (links) noch von herantrabenden Pferden (rechts) lässt sie sich aus der Ruhe bringen. 

Jonquille ist ein Verlasspferd: Weder vom Dinosaurier im Kreisel (links) noch von herantrabenden Pferden (rechts) lässt sie sich aus der Ruhe bringen. 

Fazit                                                                                                                                              

Ist das Angebot von Tourisme Equestre, Planwagen-Touren von 2–5 Tagen Dauer aus tierschützerischer Sicht vertretbar oder nicht? Vor allem an Personen, die über keine praktischen Erfahrungen mit Pferden verfügen? Scheinbar scheinen die im Voraus zugestellten ausführlichen schriftlichen Informationen und die praktischen Instruktionen vor dem Start auszureichen, um zu unfallfreien Tagen auf den Jura-Strassen zu kommen. Zudem befanden sich die Pferde im Stall Protti auch am Ende der Saison in sehr gutem Zustand. Doch selbst wenn nur Schritt gefahren werden darf, Mitfahrende bei ansteigender Strasse auszusteigen haben und der Umgang ganz aufs Individuum Pferd ausgerichtet ist, zustimmen kann man diesem Touris-musangebot nicht, über minimale Pferdekenntnisse sollte mindestens die Person mit dem Leitseil in den Händen verfügen. Die schriftlichen Anweisungen mögen ausreichen, wenn alles planmässig abläuft. Pferdekenntnisse sind aber dann gefragt, wenn Probleme auftreten. Pferde sind nun einmal individuell geprägte Lebewesen und keine Maschinen, die auf Knopfdruck ausnahmslos richtig und gleich reagieren. Anzupassen wäre nach heutiger Auffassung deshalb auch das gültige Strassenver-kehrsgesetz, das in Art. 21 einzig Kindern im vorschulpflichtigen Alter sowie Personen mit körperlichen oder geistigen Krankheiten und Gebrechen das Führen von Tierfuhrwerken untersagt. Etwas gestresst zeigen sich in der Gruppe lebende Pferde wie Jonquille auch, wenn sie ganz alleine durch die Juralandschaft zu gehen haben. Da heisst es für den Fahrer aufzupassen, weil das Pferd noch so gerne eine Abzweigung nehmen würde, um wieder bei den Artgenossen zu sein.