Bei diesem Paar deutet einzig die Garrocha daraufhin, dass Working Equitation den Ursprung in Südeuropa hat. Das Pferd in schöner Haltung, Sattelung, Zäumung oder Tenue der Reiterin sind ganz klassisch.

Working Equitation


Grüningen, 6. Juli 2024

Allgemeines

Basieren die Pferdesportdisziplinen Springen, Dressur oder Concours Complet auf früheren Anforderungen im militärischen Bereich, spiegeln beim Working Equitation Alltagssituationen der Pferdehirten auf der iberischen Halbinsel die Aufgaben. Um die ehemals weit verbreitete Arbeitsreitweisen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wurden ähnlich wie beim Westernreiten Prüfungen geschaffen, die spezielle Elemente wie das Öffnen eines Tores oder das Reiten mit der Garrocha zum Inhalt haben. Es ist eine junge Pferdesportdisziplin. In der Schweiz gibt es seit 2013 den Verein ARSETS («Arbeitsreitweise Schweiz – Equitation de Travail Suisse») der Mitglied beim Dachverband Swiss Equestrian ist. Beim Turnierbesuch des STS am 6. Juli in Grüningen wurde Einblick in die Maniabilité (Arbeitsparcours) der Klassen A und L genommen. Das Turnier auf der Anlage BvG fand eine gute Infrastruktur vor mit genügend Platz zum Abreiten und auch das Einstallen der Pferde. 

Working Equitation hat den Ursprung in Südeuropa, wie bei den zu sehenden Pferderassen sowie den Outfits der Reiter*innen und Pferden zu sehen ist. 
Working Equitation hat den Ursprung in Südeuropa, wie bei den zu sehenden Pferderassen sowie den Outfits der Reiter*innen und Pferden zu sehen ist. 

Arbeitsszenen als Prüfung

Auffallend waren die ruhige Stimmung und das gegenseitige Wohlwollen unter den Konkurrent*innen. Auch der Umgang mit den Pferden war durchwegs respektvoll und reglementskonform. Die Pferde waren allesamt in guter Form, einige von ihnen auf der wohlbeleibten Seite, aber gut auf ihre Aufgaben vorbereitet. Am Start waren ver-schiedenste Rassen, den gestellten Aufgaben waren sie konditionell gut gewachsen. Weder auf dem beaufsichtigten Abreitplatz noch auf dem übrigen Gelände kamen Hilfszügel zum Einsatz. Jedes Paar wurde vor und nach dem Start auf Blutspuren und reglementskonforme Ausrüstung kontrolliert. Der Nasenkeil wurde zum Überprüfen des Nasenriemens nicht verwendet, dafür wurde jedes Pferd mit einem Papiertaschentuch abgetupft, um allfällige Spuren von durch Sporen oder Gebisse hervorgerufenes Blut zu erkennen. Nach Auskunft der Veranstalter wurden beim Working Equitation bislang noch keine Dopingtests durchgeführt.

Am Turnier wurden zwei Klassen (A und L) im Arbeitsparcours angeschaut. Die Parcours bestanden aus vorgängig bekannt gegebenen Hindernissen aus dem Katalog der ARSETS, waren im Programm veröffentlicht und wurden nicht auf Zeit geritten. Die Konkurrierenden konnten sich dadurch offensichtlich gut aufs Turnier vorberei-ten. Was in den Parcours geprüft wurde, waren nachgestellte Arbeitsszenen aus dem Alltag der Pferdehirten wie Öffnen eines Tores, Aufnehmen der Garrocha, Rückwärts mit Handwechsel oder Heben eines Kruges. 

Was im Parcours verlangt ist, kommt aus dem Alltag der südeuropäischen Rinderhirten: Handwechsel im Galopp auf leider eng beigezäumten Pferd, Sprung über ein Hindernis, Heben eines Kruges oder Schlagen der Glocke (von oben links nach rechts unten).

In der Klasse A wurden die meisten Pferde auf Trensen- bzw. Stangengebisse ohne Hebelwirkung geritten. Die Pferde standen mehrheitlich gut an den Hilfen und grobe Interventionen mit den Zügeln waren nicht zu sehen. Die vielen Übergänge vom Galopp in den Schritt (einfache Wechsel) und umgekehrt haben die Teilnehmenden gut gemeistert. Widersetzlichkeit konnten wir bei wenigen Pferden feststellen, die Interventionen der Reiter*innen waren angepasst.

Beim Sprung über eine Strohballe – im L-Parcours an erster Stelle als «Sprung in die Prüfung» – liess sich öfters fehlende Ausbildung oder mangelnde Routine feststellen. Die Pferde waren stark beigezäumt und hatten dadurch keine Möglichkeit, locker über den Rücken zu springen. 

In der Klasse L wurden vermehrt auf Kandare gezäumte Pferde geritten. Die zweihändige Zügelführung mit der Kandare ist erlaubt und in der Regel wird so geritten. Die Auffassung über den Einsatz und die Handhabung von Kandarengebissen unter-scheidet sich bei der Working Equitation deutlich von der klassischen Dressurreiterei. Einige Reiter*innen hatten mit ihren Pferden die Kandarenreife noch nicht erreicht, was zu Abwehrreaktionen führte. Beim Sprung waren kaum Pferde zu beobachten, die über den Rücken sprangen oder deutlich offene Ganaschenwinkel zeigten.

Fazit

Die Veranstalter und die offiziellen Verantwortlichen tun ihr Bestes zu Wohl der Pferde. Die Prüfungen beruhen auf der südeuropäischen Arbeitsreitweise, die aus dem Treiben der Rinderherden hervorging. Der Ursprung der Disziplin wird durch die Teilnehmenden auch nach aussen gut sichtbar gemacht durch das Outfit von Mensch und Pferde. Die in den Prüfungen gestellten Aufgaben widerspiegeln die Alltagsarbeit, was die richtigen Anreize für ein vielseitiges Training setzt. Hier zeigt sich die Verantwortung der Verbände, die die Prüfungsanforderungen reglementieren und damit das Training zu Hause bestimmen. Bei den Arbeitsparcours ist es der ARSETS gut gelungen, den richtigen Schwierigkeitsgrad zu finden. Eine Prüfung umfasst vier Teildisziplinen, die in die Schlusswertung einfliessen. 

Bei der Verwendung von Gebissen mit Hebelwirkung ist – insbesondere wenn noch in höherem Tempo geritten wird – entsprechende Vorsicht angezeigt. Da bei der Working Equitation oft auch eher kleinere Pferde eingesetzt werden, stellt sich schnell die Frage nach den Gewichtsproportionen von Pferd und Reiter*innen. Hier zeigten sich die Verantwortlichen zurückhaltend, bei einem «gewichtigen» Fall hätte sehr wohl interveniert werden können. Gebisse und Gewichtsproportion sind sicher Themen, die seitens der ARSETS proaktiv anzugehen sind. 

Jedes Pferd wird exakt mit einem Papiertaschentuch kontrolliert, ob durch Gebiss oder Sporen verursachte Blutspuren vorhanden sind.