Wofsindividuum in Günsberg (Solothurner Jura) im Dezember 2022. © Matthias Neuhaus

Wolf in der Schweiz:
Position des STS

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Stellungnahme zur Wolfsthematik

Der Wolf ist seit 30 Jahren wieder in der Schweiz – und seine Präsenz fordert uns zunehmend heraus. Der STS setzt sich für klare gesetzliche Regelungen ein, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, und ruft zur nachhaltigen Konfliktlösung im Einklang mit Tierschutz und ökologischen Prinzipien auf. Deshalb fordert der STS ein nationales Wolfskonzept.


Einleitung: Die Rückkehr des Wolfs und ihre Herausforderungen

Wolfswelpen im Wallis,  © Fabian Leu
Wolfswelpen im Wallis, © Fabian Leu

Der Wolf ist vor rund 30 Jahren in die Schweiz zurückgekehrt und hat sich als einer der drei grossen einheimischen Beutegreifer wieder in unserem Ökosystem etabliert. Als wichtiger Bestandteil der natürlichen Bestandsregulierung trägt er zur Kontrolle der Huftierpopulationen im Wald bei, indem er kranke, alte oder geschwächte Tiere erkennt und vor allem diese erbeutet, was zu gesünderen Wildpopulationen führt. Dadurch werden auch Wälder vor Frassschäden geschützt und die Wildpopulationen bleiben stabiler, in einer Grösse, die für das Gebiet tragbar ist – was langfristig auch den Jagddruck verringert. Doch seine wachsende Verbreitung und die damit einhergehenden Risse an überwiegend ungeschützten Nutztieren entfachen regelmässig hitzige Diskussionen über notwendige Massnahmen zur Wolfsregulierung. Für Nutztierhalter bedeuten solche Vorfälle oft erhebliches emotionales Leid und zusätzlich finanzielle Einbussen, was die Forderung nach Abschüssen verstärkt. Auf der anderen Seite führen Wolfsabschüsse bei Teilen der Bevölkerung, die sich für den Schutz der Tiere einsetzen, zu starken emotionalen Reaktionen. Hieraus ergibt sich der klare tierschützerische Auftrag, sich gegen unverhältnismässige Eingriffe in die Wolfspopulation einzusetzen.

Besonders kontrovers wird aktuell die Genehmigung präventiver Abschüsse ganzer Rudel diskutiert, wie etwa die Tötung des gesamten Nationalparkrudels des Kantons Graubünden. Diese Stellungnahme beleuchtet die Verbreitung des Wolfs in der Schweiz, die derzeitige Abschusspolitik sowie die möglichen tierschutzrechtlichen- und populationsökologischen Konsequenzen solcher Massnahmen. Abschliessend werden die Haltung des Schweizer Tierschutzes STS sowie mögliche Lösungsansätze vorgestellt.

Aktuelle Verbreitung des Wolfes

Der aktuelle Wolfbestand (Stand Dezember 2024) in der Schweiz beläuft sich auf etwa 35 Rudel, wobei 10 davon grenzübergreifend mit Italien und Frankreich leben und teilweise in diesen Ländern ihren Schwerpunkt haben. Diese grenzüberschreitenden Rudel lassen sich daher nicht direkt dem Schweizer Bestand zuordnen. Ein Wolfsrudel besteht aus mindestens drei Individuen, bei denen beide Geschlechter vertreten sind und die in der Regel einen Familienverband bilden. Für das Jahr 2024 steht bei einigen Rudeln der Reproduktionsnachweis noch aus. 2023 wurden rund 34 Rudel verzeichnet, davon 28 mit Nachwuchs, was etwa 300 Wölfen entspricht. Diese Daten stammen von KORA, dem Laboratoire de Biologie de la Conservation (LBC) der Universität Lausanne, den Kantonen sowie von italienischen und französischen Behörden und den Erhebungen der Gruppe Wolf Schweiz. Genauere Informationen zum Bestand des Wolfes sowie die Verbreitungskarte kann hier eingesehen werden.

Aktuelle Abschusspolitik

Wofsindividuum in Günsberg (Solothurner Jura) im Dezember 2022. © Matthias Neuhaus
Wofsindividuum in Günsberg (Solothurner Jura) im Dezember 2022.
© Matthias Neuhaus

Die Berner Konvention führt den Wolf als streng geschützte Art und verpflichtet die Schweiz, seine Population zu erhalten. Eine Regulierung ist jedoch erlaubt, wenn Wölfe ernste Schäden (serious damage) verursachen und nur sofern es keine andere befriedigende Lösung gibt und es dem Bestand der Population nicht schadet. 

Im Jahr 2022 revidierte das Parlament das Jagdgesetz, was die präventive Regulierung des Wolfsbestands ermöglichte. Der Bundesrat setzte diesen Teil der Jagdverordnung am 1. Dezember 2023 in Kraft, befristet bis Ende Januar 2025. Per 1. Februar 2025 wird die definitive Jagdverordnung in Kraft treten.1

Gesetz und Verordnung sehen eine Regulierungszeit für Wölfe vom 1. September bis 31. Januar vor. Die Kantone entscheiden, ob sie eine präventive Regulierung vornehmen wollen, brauchen dafür aber die Zustimmung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Die präventive Regulierung des Wolfes darf erst nach Ergreifen aller für Nutztiere und Menschen zumutbarer Schutzmassnahmen stattfinden. Präventive Regulierungsmassnahmen dürfen den Bestand des Wolfes nicht gefährden (auch nicht lokal) und müssen erforderlich sein zur Verhinderung von Schäden oder Gefahren. Die Entfernung ganzer Rudel ist nur als Ausnahme bei besonders schadenstiftenden Rudeln zulässig. Ferner sind die Vorgaben der Berner Konvention einzuhalten. Die Konvention lässt bei streng geschützten Arten eine präventive Regulierung zur Verhinderung von Schäden nur zu, wenn der Schaden ernst ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Die Verhinderung von kleineren Schäden oder solchen, die nur theoretisch drohen, ist kein Regulierungsgrund. 

Mögliche Konsequenzen der Wolfsabschüsse

Wolfsabschüsse haben aus tierschutzrechtlicher und populationsökologischer Sicht potenziell problematische Konsequenzen:

Tierschutzrechtliche Sicht

Gemäss der geltenden Tierschutzbestimmungen liegt die Verantwortung für den Schutz von Nutztieren bei den Halterinnen und Haltern, die Schutzmassnahmen ergreifen müssen.2 Es steht den Tierhalterinnen und Tierhaltern aber frei, für welche Massnahmen sie sich entscheiden. Als Massnahmen kommen beispielsweise wolfsabweisende Zäune, Herdenschutzhunde oder die nächtliche Einstallung in Frage. Der STS ist sich bewusst, dass dies sehr differenziert angeschaut werden muss und nicht überall problemlos möglich ist. Auf Weideflächen, auf denen trotz Herdenschutzmassnahmen wiederholt Risse vorkamen, sollten Anpassungen bei der Bewirtschaftung vorgenommen werden. 

Kommt es zu Rissen, sollten Abschüsse als letzte Massnahme und nur bei den tatsächlich verantwortlichen Wölfen durchgeführt werden. Der Abschuss ganzer Rudel und somit auch von Wölfen, die nicht an Rissen beteiligt waren, entspricht weder den gesetzlichen Vorgaben noch den Prinzipien des Tierschutzes, weil damit erhebliches Leid für die Tiere einher geht, insbesondere, wenn Massnahmen ohne Berücksichtigung des Schutzes von Elterntieren umgesetzt werden. 

Wölfe sind soziale Tiere und beide Elternteile beteiligen sich an der Versorgung der Jungtiere. Jungwölfe sind frühestens ab November selbst zur Jagd fähig, weil sie erst dann ein Dauergebiss haben. Werden Elterntiere vorher getötet, führt dies zum kläglichen Verenden der Jungtiere. Fehlschüsse sind bei der Wolfsregulierung besonders problematisch, da sie unter äusserst schwierigen Bedingungen erfolgen: meist nachts, wenn die Sicht eingeschränkt ist und eine korrekte Ansprache der Tiere – also die sichere Identifikation des Tieres und seines Zustands – erschwert wird. Hinzu kommt erheblicher politischer Druck, der die sorgfältige Durchführung zusätzlich beeinträchtigen kann. Deshalb ist es aus tierschutzrechtlicher Sicht einerseits notwendig, dass strikte Vorschriften zum Schutz von Elterntieren mit abhängigen Jungtieren bestehen. Andererseits ist es unabdingbar, dass nur Fachpersonen mit fundierten Kenntnissen zum Wolf Abschüsse vornehmen. Das sind in erster Linie eidgenössisch ausgebildete Wildhüter. Nur so können Fehlabschüsse und unnötiges Tierleid minimiert werden.

Populationsökologische Sicht

Wolfsabschüsse können ungewollte Folgen für die Populationsstruktur und das Verhalten der Tiere haben. Wolfsrudel sind territorial und sesshaft, und Leittiere (Elterntiere) spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie verteidigen ihr Revier gegen fremde Wölfe und sichern so die Stabilität des Rudels. Werden jedoch Leittiere getötet, entsteht ein Vakuum, das wandernde Jungwölfe anzieht. Diese Tiere sind häufig unerfahrener und weniger scheu, was oft zu vermehrten Nutztierschäden führt. Der Verlust von Leitwölfen destabilisiert zudem das soziale Gefüge des Rudels, verändert etablierte Jagdstrategien und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die verbleibenden Jungwölfe Nutztiere angreifen. Studien belegen, dass solche Prozesse zu einer Zunahme von Nutztierrissen führen können.3

Besonders kritisch sind die Folgen des Abschusses ganzer Rudel. Aus populationsökologischer Sicht kann dies die genetische Vielfalt der Wolfspopulation gefährden und die Inzucht fördern, was die Gesundheit und Anpassungsfähigkeit der Tiere langfristig schwächt. Um dies zu vermeiden, müsste der günstige Erhaltungszustand (favorable conservation status) erreicht werden – also eine ausreichend grosse Population in einem gesicherten Lebensraum.4 Dies ist jedoch mit der aktuellen Anzahl von Wolfsrudeln nicht gegeben, weshalb die weitere Dezimierung ganzer Rudel das Problem der Inzucht noch verstärkt. Die Dezimierung ganzer Rudel erschwert zudem die sogenannte Platzhalter-Funktion: Etablierte Rudel verteidigen ihr Revier und verhindern, dass unerfahrene Wölfe in das Gebiet eindringen. Wird diese Funktion gestört, können unerwünschte Verhaltensänderungen in der Population auftreten.5

Ein weiteres Problem liegt in der künstlichen Regulation der Population. Es ist umstritten, ob und in welchem Ausmass Wölfe bei hohen Dichten ihre Reproduktion selbst regulieren – beispielsweise durch kleinere Wurfgrössen. Es ist jedoch wissenschaftlich erwiesen, solange die Population künstlich auf einem niedrigen Niveau gehalten wird, diese in einer anhaltenden Zuwachsphase bleibt. Dies führt zu einer Dynamik, die eine nachhaltige Kontrolle erschwert.6

Die beschriebenen Zusammenhänge verdeutlichen, wie wichtig ein wissenschaftlich fundierter und nachhaltiger Umgang mit der Wolfspopulation ist. Unkoordinierte Abschüsse können langfristig mehr Schaden anrichten, als sie lösen, und sollten durch sorgfältig geplante Massnahmen ersetzt werden, die auf ökologische Zusammenhänge und die langfristige Stabilität der Wolfspopulation Rücksicht nehmen.

Haltung des Schweizer Tierschutz STS

Der Abschuss einzelner schadenverursachender Wölfe hält der STS nur als ultima ratio für vertretbar, wenn dies zum Schutz von Nutztieren zwingend erforderlich ist. Der Abschuss ganzer Rudel lehnt der STS jedoch entschieden ab, da solche Eingriffe erhebliches Tierleid verursachen. Falls Rudel trotz Herdenschutzmassnahmen erhebliche Schäden verursachen, fordert der STS gezielte Regulierungsabschüsse bei den verantwortlichen Tieren, wobei der Schutz der Elterntiere unbedingt gewährleistet sein muss. Sollte es dennoch notwendig werden, Elterntiere zu entnehmen, so dürfen solche Abschüsse ausschliesslich im Winter (November bis Januar) erfolgen, wenn die Jungtiere nicht mehr unmittelbar von ihnen abhängig sind.

Der STS anerkennt, dass die Bestossung – also das Beweiden von alpinen Wiesen durch Nutztiere – mit dem richtigen Weidemanagement eine zentrale Rolle für die Förderung und Erhaltung der Biodiversität spielt.7

Der Herdenschutz als fester Bestandteil eines künftigen Wolfskonzepts ist aus Sicht Tierschutz unausweichlich, obschon klar ist, dass die ständige Behirtung oder nächtliche Einstallung in solchen Gebieten aus zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Gründen besonders anspruchsvoll ist. 

Damit Nutztiere durch geeignete Herdenschutzmassnahmen geschützt werden können und künftig kein Weidetier mehr ungeschützt gehalten wird, muss die Subventionspolitik im Bereich des Herdenschutzes den neuen Herausforderungen Rechnung tragen. 

Herdenschutzhunde mit Schafen. © GWS
Herdenschutzhunde mit Schafen. © GWS

Darüber hinaus sollen neue wissenschaftliche Erkenntnisse und mögliche Massnahmen zur Verbesserung des Herdenschutzes und Wolfsmanagements miteinbezogen und gefördert werden, wie etwa Entwicklungen mit Pheromonen für Weidetiere zur Vergrämung der Wölfe.

Der STS fordert zudem eine einheitliche, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Praxis für den Abschuss und das Management von Wölfen. Dies schliesst die Erarbeitung und Aktualisierung eines schweizweiten Wolfskonzepts durch das BAFU ein. Dieses Konzept sollte klar festlegen, dass ausschliesslich eidgenössisch ausgebildete Wildhüter zur Bejagung von Wölfen berechtigt sind. Die sogenannten Schnellkurse für Wildhüter+ lehnt der STS ab. Darüber hinaus muss die Wolfsthematik in der Ausbildung von Wildhütern umfassend behandelt und geprüft werden. 

Bezüglich des Fuorn-Rudels, das grösstenteils im Nationalpark, im Kanton Graubünden, lebt schliesst sich der STS der Position von WWF, Pro Natura, Bird Life und Gruppe Wolf Schweiz an: Die Abschüsse sind unverhältnismässig und reizen den rechtlichen Rahmen mehr als aus, ohne Alternativen, den Forschungsbedarf oder die natürliche Entwicklung im Nationalpark zu berücksichtigen.

Was kann jeder Einzelne von uns tun?

  • Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten beim Bau von Zäunen oder der Schafbehirtung. Laufende Projekte sind OPPAL und Pasturs Voluntaris
  • Landwirtinnen und Landwirte und Schafhalterinnen und Schafhalter können mit der landwirtschaftlichen Beratungsstelle der Agridea zur Planung und Umsetzung von Herdenschutzmassnahmen unter folgendem Link Kontakt aufnehmen: Herdenschutz Aktuell 2024 – AGRIDEA (abacuscity.ch)
  • Studierende können Wissenschaftliche Arbeiten zum Mensch-Wolf-Konflikt verfassen.
  • Sprechen Sie mit Verwandten und Bekannten über den Wolf, dessen ökologische Bedeutung und dem möglichen Zusammenleben. Bringen Sie sich auch in die Debatte ein, z.B. mit Leserbriefen. 
  • Unterstützen Sie sinnvolle politische Aktionen, beispielsweise Petitionen oder Referenden. 
  • Kaufen und konsumieren Sie, wann immer möglich, Produkte von Landwirten und Landwirtinnen, die sich um ein Zusammenleben mit dem Wolf bemühen, also etwa Herdenschutz betreiben. 

Sich informieren: Die Wildtiertagung 2023 des STS zu «Tierschutzkonformer Nutztierhaltung im Umgang mit dem Wolf» bietet aufschlussreiche Informationen. Die Aufzeichnungen sind hier verfügbar: 6. Wildtiertagung des Schweizer Tierschutz STS – Schweizer Tierschutz STS

Fazit

Der STS setzt sich für klare gesetzliche Regelungen ein, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, und ruft zur nachhaltigen Konfliktlösung im Einklang mit Tierschutz und ökologischen Prinzipien auf. Dabei ist die Erarbeitung eines aktuellen Wolfskonzepts unerlässlich, das den Schutz von Nutz- und Wildtieren sowie die Koexistenz von Wolf und Nutztier langfristig sicherstellt. Angesichts der jüngsten Herabstufung des Wolfes in der Berner Konvention von „streng geschützt“ auf „geschützt“ auf europäischer Ebene wird die Notwendigkeit eines funktionierenden Wolfskonzepts noch dringlicher. Der STS fordert, dass Weidetiere zwingend durch Herdenschutzmassnahmen geschützt werden, um das Wohlergehen der Nutz- und Wildtiere, namentlich dem Wolf, zu gewährleisten. Auch die Subventionspolitik im Bereich des Herdenschutzes sollte angesichts der neuen Herausforderungen angepasst werden. Denn der STS beurteilt auch künftig die nachhaltige Beweidung von alpinen Wiesen durch Nutztiere als wichtig, da dies zur Förderung der Biodiversität beiträgt.8

Die Praxis des Wolfabschusses sollte klaren gesetzlichen Regelungen folgen und nicht kantonaler Willkür unterliegen. Es muss konkretisiert werden, unter welchen Voraussetzungen Wölfe geschossen werden dürfen, wobei tierschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt und die Abschusspraktiken klar (sichere Identifikation des Tieres) sowie tierethisch verträglich (Elternschutz) definiert werden sollten. Diese Massnahmen sollten ausschliesslich von eidgenössisch ausgebildeten Wildhütern durchgeführt werden.

Der Abschuss einzelner, nachweislich schadenverursachender Wölfe ist nur als letzte Massnahme im Sinne der ultima ratiovertretbar. In diesem Fall muss sichergestellt werden, dass tatsächlich das betreffende Individuum getötet wird und nicht ein anderer Wolf aus dem gleichen Gebiet. 

Die präventive Tötung ganzer Rudel lehnt der STS entschieden ab, da dies erhebliches Tierleid verursacht und aus populationsökologischer Sicht keine langfristige Lösung darstellt. Der Abschuss von Leittieren beispielsweise destabilisiert die Rudelstruktur, zieht unerfahrene Jungwölfe an und erhöht durch veränderte Jagdstrategien und weniger scheue Tiere das Risiko von Nutztierschäden.9 Zudem kann der Verlust ganzer Rudel die genetische Vielfalt gefährden und die Inzucht fördern, was die langfristige Gesundheit der Tiere schwächt. In funktionierenden Rudelstrukturen ist die Wahrscheinlichkeit von Nutztierschäden tendenziell geringer, weshalb solche Strukturen erhalten bleiben sollten. Die Entnahme ganzer Rudel stellt keine nachhaltige Lösung dar, da Lebensräume schnell von neuen Rudeln besetzt werden.10

Besonders der Schutz der Elterntiere und ihrer noch abhängigen Welpen muss berücksichtigt werden, da ihr Tod nicht nur das Überleben der Welpen gefährdet, sondern auch ihr soziales Lernen und Überleben erheblich beeinträchtigt.


  1. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biodiversitaet/fachinformationen/nachhaltige-nutzung-der-biodiversitaet/jagd.html ↩︎
  2. Art. 4 Tierschutzgesetz, TSchG, in Verbindung mit Art. 5 und 7 Tierschutzverordnung, TSchV. ↩︎
  3. Elbroch, L. M., & Treves, A. (2023). Why might removing carnivores maintain or increase risks for domestic animals? Biological Conservation, 283, 110106. https://doi.org/10.1016/j.biocon.2023.110106 ↩︎
  4. Für den gesamten Alpenraum (Italien, Österreich, Schweiz, Lichtenstein, Frankreich, Slowenien, Deutschland) wurden 125 Rudel als günstiger Erhaltungszustand festgelegt; Schnidrig R., Nienhuis C., Imhof R., Bürki R. & Breitenmoser U. (Eds) 2016. Wolf in the Alps: Recommendations for an internationally coordinated management. RowAlps Report Objective 3. KORA Bericht Nr. 72. KORA, Muri bei Bern, Switzerland, and BAFU, Ittigen, Switzerland, 70 pp.  ↩︎
  5. Poyarkov AD, Korablev MP, Bragina E and Hernandez-Blanco JA (2022) Overview of Current Research on Wolves in Russia. Front. Ecol. Evol. 10:869161. doi: 10.3389/fevo.2022.869161 ↩︎
  6. Poyarkov AD, Korablev MP, Bragina E and Hernandez-Blanco JA (2022) Overview of Current Research on Wolves in Russia. Front. Ecol. Evol. 10:869161. doi: 10.3389/fevo.2022.869161 ↩︎
  7. Gemäss der Fallstudie zu den Auswirkungen auf die Diversität von alpinen Rasen, können negative Folgen aus der Überweidung durch zu viele Schafe entstehen wie etwa ein Rückgang der Biodiversität und die Verdrängung der Gämsen aus ihrem natürlichen Lebensraum; Widmer, S., Riesen, M., Krüsi, B. O., Dengler, J., & Billeter, R. (2020). Wenn Gämsen Schafe ersetzen: Fallstudie zu den Auswirkungen auf die Diversität von alpinen Rasen [Replacement of sheep by chamois: A case study of grazing effects on the diversity of alpine grasslands]. Tuexenia, 40, 225–246. https://doi.org/10.14471/2020.40.013 ↩︎
  8. Widmer, S., Riesen, M., Krüsi, B. O., Dengler, J., & Billeter, R. (2020). Wenn Gämsen Schafe ersetzen: Fallstudie zu den Auswirkungen auf die Diversität von alpinen Rasen [Replacement of sheep by chamois: A case study of grazing effects on the diversity of alpine grasslands]. Tuexenia, 40, 225–246. https://doi.org/10.14471/2020.40.013 ↩︎
  9. Elbroch, L. M., & Treves, A. (2023). Why might removing carnivores maintain or increase risks for domestic animals? Biological Conservation, 283, 110106. https://doi.org/10.1016/j.biocon.2023.11010
    Mayer, C., Frantz, A., & Brown, G. (2022). Evaluating wildlife conservation efforts: lessons from the carnivore conflict in Europe. Journal of Applied Ecology, 59(8), 1023-1035. https://doi.org/10.1111/1365-2664.13901 ↩︎
  10. Poyarkov AD, Korablev MP, Bragina E and Hernandez-Blanco JA (2022) Overview of Current Research on Wolves in Russia. Front. Ecol. Evol. 10:869161. doi: 10.3389/fevo.2022.869161 ↩︎

Zusammenfassung der STS-Stellungnahme zur Wolfsthematik

Der Schweizer Tierschutz STS hat seine Position zum Umgang mit dem Wolf in der Schweiz veröffentlicht. Als einer der drei einheimischen Beutegreifer trägt der Wolf zum ökologischen Gleichgewicht bei. Seine Rückkehr bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, insbesondere für Nutztierhaltende. Besonders umstritten ist die Debatte um präventive Abschüsse ganzer Rudel.

Wichtige Punkte des Positionspapiers

  • Ökologische Bedeutung des Wolfs: Als natürlicher Regulator der Wildbestände erbeutet der Wolf bevorzugt kranke, alte oder geschwächte Tiere, was zu gesünderen Wildtierpopulationen führt. Dadurch bleibt das ökologische Gleichgewicht erhalten, übermässige Verbissschäden im Wald werden reduziert und die Wildbestände stabilisieren sich auf einem für das Gebiet tragbaren Niveau – langfristig kann dies auch den Jagddruck verringern. Gleichzeitig können Wolfsrisse an Nutztieren für Landwirte emotional und finanziell belastend sein.
  • Aktuelle Situation: In der Schweiz gibt es derzeit etwa 35 Rudel, von denen einige grenzüberschreitend mit Italien und Frankreich leben. Die aktuelle Regulierungspolitik erlaubt präventive Abschüsse, wenn ernsthafte Schäden drohen und andere Schutzmassnahmen nicht greifen.
  • Tierschutzrechtliche und ökologische Bedenken: Der STS kritisiert präventive Abschüsse ganzer Rudel als unverhältnismässig und tierschutzwidrig. Solche Eingriffe destabilisieren Rudelstrukturen, fördern Inzucht und können langfristig zu mehr Nutztierschäden führen.

Forderungen des STS
Der STS akzeptiert gezielte Abschüsse einzelner schadenverursachender Wölfe nur als letzte Massnahme (ultima ratio). Herdenschutzmassnahmen wie Zäune oder Herdenschutzhunde sollten verstärkt gefördert und subventioniert werden. Zudem fordert der STS ein einheitliches, wissenschaftlich fundiertes Wolfskonzept für die Schweiz.

Handlungsempfehlungen für Einzelpersonen

  • Unterstützung von Landwirten beim Herdenschutz
  • Kaufen und konsumieren Sie, wann immer möglich, Produkte von Landwirten und Landwirtinnen, die sich um ein Zusammenleben mit dem Wolf bemühen, also etwa Herdenschutz betreiben.
  • Teilnahme an politischen Aktionen und Debatten zur Wolfsthematik

Der STS betont die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit dem Wolf, der sowohl den Schutz von Nutztieren gewährleistet als auch ein langfristiges Zusammenleben mit dem Wolf ermöglicht.